GAK 1902 Aktuelles
News / Alfred Haidacher / Donnerstag 20.10.2022

Rotes Feuer

Der GAK unterliegt Sturm im historischen Cup-Derby mit 1:0 und kann trotzdem zufrieden sein.

   Im Regelfall bildet ein Spielbericht ab, was eine Person aus einem Match herausgelesen hat und für zutreffend genug hält, es einer erweiterten Leserschaft zur gefälligen Kenntnisnahme vorzulegen. Objektivität darf man sich nicht immer erwarten. Und schon gar nicht von Berichten von Fanseite, also auch von diesem. Von regionalen und überregionalen Medien sollte man allerdings erwarten dürfen, dass solche Objektivität wenigstens geheuchelt wird. Stattdessen darf man erfahren, dass auch in Druck- und Onlinemedien, die vorgeben, weitere Bevölkerungsschichten als sie die Anhänger bloß eines Vereines darstellen zu informieren, die Fan-Sicht das vorherrschende Werkzeug der Berichterstattung ist. Da der überwiegende Teil der über Fußballsport Berichtenden schwarz zu sehen scheint, wird also auch in kleineren und größeren Zeitungen sowie Onlinemedien die eine Fan-Sicht zur Weltsicht. Hier folgt also auch ein wenig Kritik der Kritik – schamlos mit roter Brille geschrieben. Wozu wäre dieser Bericht denn sonst da?

Ein glanzloses Derby

   So nennt es einer der offiziellen Spielberichte in einem bekannten Tagesmedium auf seiner Titelseite und untertitelt den eigentlichen Spielbericht im Blattinneren mit der Anmerkung, dass sich Sturm zum Sieg gequält habe (so habe es der Trainer des schwarzen Gegners höchstselbst empfunden, meldet zumindest LaOla1) – „Ach, die Armen!“, möchte man ausrufen. Da musste der Zweite der ersten Liga doch tatsächlich arbeiten, um dem Neunten der zweiten Liga wenigstens ein Tor zu schießen. Jenem Neunten, der – gemein, gemein! – mit einer Fünferkette gespielt habe und – wie es Kommentare unter dem LaOla1-Spielbericht gleich am Abend anmerkten, bloß hinten drinnen gestanden wäre. Aber, stimmt das auch?  

Eine Halbzeit weitgehend auf Augenhöhe

   Im Stadion herrscht Wahnsinn, Aufgeregtheit, gespannte Erwartung, unglaublicher Lärm und eine Riesenstimmung. Da kann man schon einmal alles Gesehene für eh großartig halten. Also setzt man sich an den Computer und sieht sich das ganze Spiel in der TVThek des ORF noch einmal an. Ohne Ton würde man gut eine halbe Stunde einem Spiel auf Augenhöhe zusehen, in dem die eine Mannschaft etwas defensiver agiert, aber durchaus offensiv Initiative entwickelt und die andere mehr Ballbesitz hat, offensiv agieren möchte, aber letztlich kein Rezept findet. Man sieht, genauso wie ich es im Stadion gesehen habe, dass die ersten Minuten dem GAK gehören. Man kann Sturms ersten eigentlichen Angriff auf eine freundliche Geste von Schiedsrichter Harkam zurückführen, der einen großzügigen Freistoß gibt (5. Minute). Hört man dazu den ORF-Kommentar glaubt man allerdings, hier spiele mindestens Barcelona (in Schwarz) gegen Hintertupfing aus der 17. Klasse Mitte (in Rot). „Alles in der Hälfte des GAK“, schreit der Kommentator und überschlägt sich vor Glück. Als in der 10. Minute das erste rüpelhafte Foul an Liendl begangen wird, ortet man „ordentliche Härte“, die natürlich in so einem Derby sein müsse, und als der GAK in der 12. Minute zu einer ersten echten Chance nach wunderbarem Pass auf Rosenberger kommt, kann man den GAK „sogar mit einem ersten Abschluss“ hinunterreden. Siebenhandl muss nachfassen und weiter geht’s. In der 22. Minute legt Wüthrich Peham, der gerade gut auf Liendl weitergeleitet hat und vereitelt eine gefährliche Aktion. Die gelbe Karte bleibt stecken, obwohl Christian Ilzer sich ununterbrochen vom seine Mannschaft ohnehin recht gütig behandelnden Schiedsrichter benachteiligt fühlt und daher bald ermahnt werden muss. Das Chancenplus, sowie die Spieldominanz der Schwarzen geradezu „nach Belieben“, die LaOla 1 im Spielbericht ortet, sind mit der objektiven roten Brille nicht zu sehen – naja, mehr Ballbesitz, wie gesagt. En détail: 18. Minute: lascher Kopfball von Ajeti und Nicht fängt seinen ersten Ball locker; 26. Minute: ein Schuss von Ajeti geht drei Meter vorbei; 27. Minute: Nicht rettet vor dem agilen Ajeti mit Faustabwehr (hier darf man erstmals von einer richtigen Chance für Sturm sprechen); 33. Minute: ein schwacher Schuss aus 20 Metern von Prass stellt für Nicht keine Aufgabe dar. Ein Torschussplus von 4:1 für Sturm, an echten Chancen aber ein 1:1. In den letzten zehn Minuten der ersten Hälfte gibt Sturm sichtlich alles, erarbeitet sich eine wirkliche Feldüberlegenheit. Aber „alles“ ist hier gegen den GAK nicht genug. Einmal muss Nicht noch vor dem anstürmenden Ajeti wegfausten (38. Minute), und dem GAK gelingt in der 42 Minute auch noch ein durchaus passabler Angriff ohne wirklich Gefahr zu erzeugen. Die 45. Minute steht im Zeichen des GAK, der aus einer guten Aktion keinen echten Abschluss zustande bringt, die erste Halbzeit aber in der Hälfte des Gegners beendet.        

Rotes Feuer

   Die Nachschau des Spieles in der TVthek macht erst klar, wie viel jeder versäumt hat, der nicht im Stadion war. Nur dort hat man die fast schon unglaubliche, in Graz schon lange nicht mehr dagewesene Stimmung erlebt. Nur dort riecht man die Feuerwerkskörper, verfolgt die Fanchoreographien, nur dort kann man spüren, wie großartig auch ein 0:0 sein kann, wenn genügend Leute im Publikum sitzen, stehen und hüpfen, denen das Ereignis auf dem Rasen in diesem Moment alles bedeutet. Und nur dort wird einem klar, dass Graz für Ereignisse dieser Größenordnung ein zu kleines Stadion hat. Das rote Feuer, das buchstäblich beide Halbzeiten einglüht, sorgt zwar für Spielverzögerungen in beiden Hälften, ist aber einfach begeisternd. Und auch wenn ich eigentlich aus Sicherheitsgründen ein absoluter Gegner von Pyrotechnik im Stadion bin: Geil war es doch! Von einem „kleinen Etappensieg“ des GAK hat der ORF Kommentar gesprochen, als Sturm nach einer halben Stunde noch immer nichts Zählbares aufweisen konnte. Die Fans aber hofften, dass – ginge es so weiter wie in der letzten Minute der ersten Halbzeit – vielleicht auch eine noch größere Sensation als bloß die Ablieferung einer anständigen Leistung möglich wäre. Und die wird jedenfalls abgeliefert, denn es geht weiter wie bisher. Sturm hat mehr Ballbesitz, der GAK bleibt diszipliniert und versucht sich in teilweise schönen Gegenzügen, die allerdings nicht richtig gefährlich werden.

Die 65. Minute und jenseits davon

   Dann allerdings ist Ajeti nach einem weiten Pass von Ljubic auf und davon und überhebt Nicht in der 65. Minute. Der schon bisher auffälligste Spieler des Gegners kommt zum nicht unverdienten Torerfolg, wenn, ja, wenn da nicht ein klares, nicht geahndetes Foul an Jager gewesen wäre, das der Aktion vor dem Pass von Ljubic vorausgegangen war. Ein VAR, der sein Geschäft ernst nimmt (da kann man sich in Österreich allerdings nie ganz sicher sein) hätte die Aktion wohl zurücknehmen lassen (müssen). Abseits, wie es manche Fans gesehen haben wollten, war es allerdings nicht. Der rote Rauch mochte sich verzogen haben, aber das rote Feuer brannte weiter, in den Aktionen der Mannschaft nämlich. Man lässt sich nicht hängen, während der Gegner es gemütlicher angehen lässt. Die je fünf Einwechslungen sorgen für frische Kräfte. Sturm wird nachlässiger, setzt nun selbst auf Konter, der GAK kann allerdings keine größeren Möglichkeiten generieren. Im Gegenteil, in der 90. Minute jagt Sarkaria einen Ball an unsere Außenstange. Aber in der siebenminütigen Nachspielzeit macht der GAK gehörig Druck und kommt, nach leichtem Kontakt von Dante an Eloshvili, zu einer vom Schiedsrichter großmütig gewährten Freistoßchance am Sechzehner. Liendls guter Schuss findet in Siebenhandl seinen Meister. Der GAK drückt, ein Perchtold-Schuss ist kein Problem für den schwarzen Tormann in Gelb. Dann ist es vorbei.

Im historischen Derby hat nicht viel gefehlt

  Der gegenwärtige Transferwert des schwarzweißen Gegners beträgt laut transfermarkt.at knapp 23 Millionen Euro, der des GAK etwas über 4 Millionen. Die sechsmal teurere Mannschaft war etwas besser und hat ein Tor erzielt, das nach VAR-Prüfung wohl aberkannt werden hätte müssen. Ob es das auch geworden wäre, ist bei den in Österreich doch eher extrem schwankenden Leistungen des VAR aber ohnehin fraglich. Es hat nicht viel gefehlt zur Verlängerung. Es hat nicht viel gefehlt zur Sensation. Es war eine disziplinierte taktische und kämpferische Leistung unserer Mannschaft gegen einen Gegner von hoher Qualität, den wir immerhin das eine oder andere Mal fast zur Verzweiflung haben treiben können. Kann man also zufrieden sein? Ja, kann man, wenn man vergleichbare Leistungen von jetzt an auch gegen die Gegner in unserer eigenen Liga auf den Platz zu bringen versteht. Michael Liendl und Kapitän Perchtold zeigten in ihren Reaktionen nach dem Spiel, dass der GAK mit einem lachenden und weinenden Auge bilanzieren darf – und muss. Das Schlusswort überlasse ich unserer Nummer 10: „Ich habe ja im Vorfeld viele Aussagen von Sturm, seien es Fans oder Verantwortliche gewesen, gehört, es sei keine Brisanz dabei oder keine sportliche Herausforderung. Also dafür haben sie es nicht unbedingt gut gemacht, das muss man schon ehrlich sagen. Oder wir so gut, das kann natürlich auch sein.“ „Oder wir so gut“, so dürfen wir es sehen.

Mit ganzem Herzen dabei waren an diesem historischen Abend:

In der Startelf: Christoph Nicht, Paul-Friedrich Koller, Lukas Graf, Felix Köchl, Benjamin Rosenberger, Milos Jovičić, Markus Rusek, Michael Liendl, Marco Perchtold, Thorsten Schriebl, David Peham

Als Wechselspieler: Maximilian Somnitz, Levan Eloshvili, Thomas Schiestl, Michael Lang, Paolo Jager

Auf der Bank: Jakob Meierhofer, Philipp Seidl

DER GRAZER STADTKLUB - gegründet 18.08.1902