GAK 1902 Aktuelles
News / Wolfgang Kühnelt / Mittwoch 12.02.2020

VOR 100 JAHREN – DIE ERSTE STEIRISCHE MEISTERSCHAFT

Im Sommer 1920 wurde in Graz erstmals eine reguläre Fußball-Meisterschaft ausgetragen. Neben GAK und Sturm nahmen der GSV, Rapid Graz und die Amateure Graz teil sowie der ein Jahr zuvor gegründete Arbeitersportverein Gösting. Die Dominanz von Sturm und GAK war in diesen insgesamt jeweils zehn Meisterschaftspartien pro Saison schon damals deutlich. Während etwa die „weiße Elf“ aus Gösting trotz Unterstützung des Grafen Attems in den ersten Jahren noch vorwiegend barfuß und mit Fetzenlaberl spielte, machten sich die Roten und die Schwarzen fünfzehn Jahre lang den Meistertitel untereinander aus. Wer die zwei „großen Derbys“ in der Saison gewinnen konnte, der wurde in der Regel auch am Ende Tabellenerster. In der Premierensaison 1920/21 war dies Sturm. Gleich das Auftaktderby am 7. November 1920 konnten die Schwarzen mit 5:1 für sich entscheiden, die zweite Begegnung gewann Sturm auswärts mit 0:1. Spannender verlief die nächste Spielzeit, die erstmals auch in den GAK-Annalen als „steirische Meisterschaft“ anerkannt wird. Zuerst gewann Sturm mit 3:2, diesmal gelang dem GAK allerdings mit 2:0 die Revanche, die Roten wurden dadurch auch steirischer Meister.

1924 wechselt mit Hans Diamant eine Stütze des SK Sturm nach einer sechsmonatigen Stehzeit zum GAK. Zwei Jahre später geht er für einige Monate wieder zu den Schwarzweißen zurück. Man sieht: Ein Transfer zum Lokalrivalen war in dieser Frühzeit des steirischen Fußballs zwar für die Anhänger ein Ärgernis, nichts desto trotz aber keineswegs selten. Der damalige GAK-Spieler Franz Fasching berichtet allerdings in einer Vereinszeitung von 1987, dass in den 1920er Jahren deutlich mehr Spieler von Sturm zu den Athletikern wechselten als umgekehrt.

Gerade durch diese Transfers wurde die Rivalität erbitterter. Wenn dann auch noch wie in einem Derby vom Herbst 1926 außerhalb der Meisterschaft der angeblich Unparteiische eine zweifelhafte Rolle spielte, wurden die Diskussionen auf den Tribünen mehr als nur erhitzt. Was war an diesem 6. September geschehen? Beim Stand von 2:1 für Sturm pfeift Schiedsrichter Fasching ab. Im selben Moment rollt der Ball ins Sturm-Tor. In der Zeitung wird das Resultat mit 2:?(1) angegeben.

Das damals von fast allen Mannschaften praktizierte 2-3-5-System mit 5 Stürmern, die auf zwei nominelle Abwehrspieler zuliefen, war über viele Jahre die dominierende Aufstellungsvariante. Erwähnenswert ist, dass Sturm und GAK schon zu dieser Zeit engen Kontakt mit dem Wiener Fußball hatten. 1924 wurde Teamspieler Johann Kowanda von Wacker Wien beim GAK als Spielertrainer verpflichtet, Sturm hatte bereits in der Saison davor für dieselbe Funktion Josef „Pepi“ Haist vom Wiener Associationfootball-Club (kurz WAF) geholt. Umgekehrt wechselte Karl Doller für ein halbes Jahr als Profi von Sturm nach Simmering. Besagter Haist, auch er früher Spieler der Nationalmannschaft, wurde übrigens danach auch GAK-Trainer und war damit wohl der erste, aber nicht der letzte, der im Laufe seiner Karriere beide großen Grazer Vereine betreute.

Und noch ein Spieler dieser Zeit schrieb bald Geschichte. Der Tormann Josef Rudolf Hiden, den alle „Rudi“ nannten, spielte von 1925 bis 1927 in der Kampfmannschaft des GAK, wechselte dann um kolportierte 500 Schilling zum Wiener AC und wurde als Goalie im Wunderteam sowie später als Legionär in Frankreich zur Legende.

Begonnen hatte Hiden interessanterweise mit Freunden als Hobbykicker im Grazer Augarten, eigentlich ein Kerngebiet für Sturm-Anhänger. GAK-Tormann Rosner, der stets auf der Suche nach neuen Talenten war, entdeckte den jungen Hiden bei einem dieser Matches. Im GAK-Nachwuchs wurde Rudi Hiden Mittelstürmer, doch als sich eines Tages ausgerechnet in einem Jugend-Derby zwischen GAK und Sturm Graz der Standard-Goalie verletzte, wurde Hiden als der größte Spieler ins Tor geschickt. Da er seine Sache sehr gut machte, wurde er bald zum Tormann umfunktioniert. Der charismatische Spieler war ein Liebling der Frauen und für seinen Wagemut auf dem Spielfeld gefürchtet bei Freund und Feind. In seiner Zeit bei Racing in Paris nahm er die französische Staatsbürgerschaft an und stand 1940 sogar im Dress des französischen Nationalteams gegen Portugal im Tor. Der Mann, der einst als junger Bäckergeselle beim GAK begonnen hatte, konnte nach seiner aktiven Karriere nicht mehr an seine Erfolge anschließen. Nach wenig erfolgreichen Trainerjahren und einigen gescheiterten Geschäftsideen in der Gastronomie verstarb er 1973 in Wien.

Zwei Phänomene waren in diesen ersten Jahren der Grazer Meisterschaft auffällig: Zum einen fielen die Ergebnisse oft hoch aus, fünf oder sechs Tore waren eher die Regel als die Ausnahme. Im Herbst 1930 etwa gewann der GAK auswärts 4:1, Sturm konnte sich im Frühjahr 1931 beim nächsten Derby ebenfalls auswärts mit 5:2 vor gut 3.000 Zusehern revanchieren.

Und zum zweiten ging es hin und her, selbst die Meistertitel in Serie, die der GAK zwischen 1926 und 1933 feiern konnte, waren keine Garantie für den Status als Derby-Favorit. Zwischen 1920 und 1941 gab es nur ein einziges Unentschieden, ein 1:1 im Jahre 1926. Die Zuschauer, damals stets gut gekleidet, kamen also auf ihre Kosten. So zivilisiert wie sie aussahen, waren sie allerdings nicht immer. Nach dem Derby vom 20. November 1932, das Sturm auf dem GAK-Platz mit 5:2 gewinnen konnte, flogen die Fetzen.

Die Fußballer waren zu dieser Zeit weit davon entfernt, gut bezahlte Profis zu sein. Der GAK-Spieler Franz Fasching erinnerte sich 1983 im GAK-Jahrbuch: „In den zwanziger Jahren waren wir sogenannte ‚Nachtmahl-Amateure’. (...) Das Geld war rar, die Zuseherzahl begrenzt, auch die Höhe der Eintrittsgelder. Da wären jedem von uns ein kleines Fixum oder Prämien eine riesige Hilfe gewesen. Einige wenige erhielten Zuwendungen, die anderen hatten keinen Neid bzw. wußten es gar nicht. Nach den Spielen, es wurde nur sonntags gespielt, wurden die Aktiven der ‚Ersten’ und ‚I b’ bei Speis und Trank freigehalten, es kamen Angehörige und Anhänger, es wurde bis spät in die Nacht gesungen und getanzt.“

***

Überarbeitete Fassung des Originaltextes von Wolfgang Kühnelt, erschienen in „Geliebter Feind. Die Geschichte des Grazer Stadtderbys SK Sturm Graz – GAK 1920–2007“, Leykam Verlag

DER GRAZER STADTKLUB - gegründet 18.08.1902