Ich bin bis vor nicht allzu langer Zeit davon ausgegangen, dass einige Dinge immer da sein würden. Mein Leben lang. Der Jolly-Eislutscher zum Beispiel. Der nervige Kommissar Columbo in einer Endlosschleife auf diversen kommenden und gehenden Fernsehsendern. Und mein Besuch von GAK Spielen. Alle zwei Wochen während der Fußballsaison.
Doch plötzlich gibt es etwas, was eine nicht unwesentliche und wohltuende Sicherheit in meinem Alltag gewesen ist, nicht mehr. Zumindest vorübergehend. Den Stadionbesuch nämlich. Der einer Krankheit zum Opfer gefallen ist.
Doch dafür, dass ich gelegentlich Berichte für die GAK Homepage schreibe, bekomme ich nun eine Belohnung. Ich darf zum ersten Mal seit dem 23. Februar zu einem GAK Spiel. Ins Geisterspiel-Ausweichstadion von Gleisdorf, um mir das Heimspiel gegen Dornbirn anzusehen mit nur einigen Handvoll weiteren Zuschauern. Um darüber einen Artikel zu schreiben.
In den Geisterspielen hatten wir Erfolgserlebnisse gegen die Mannschaften aus Ried und Klagenfurt. Gegen diese, den Tabellenersten und seinen Verfolger, haben wir Siege eingefahren. Die ersten seit August 2019. Ried wurde mit 4:2 und die Klagenfurter Austria mit 2:1 besiegt. Solche Mannschaften sind sich ihrer Favoritenrolle bewusst, spielen offensiv davon ausgehend, dass sie sowieso gewinnen sollten gegen eine Mannschaft aus dem unteren Tabellendrittel. Dadurch ergibt sich Raum, welche der GAK als Gegner sehr gut hat nutzen können, beide Male.
Mit Dornbirn kommt allerdings ein anderes Kaliber ins nach Gleisdorf ausgewichene Graz. Denn das Konzept solcher Mannschaften schreibt vor, mit einem 0:0 grundsätzlich zufrieden zu sein. Und diese Bescheidenheit führt oft zu unerwarteten Punktezuwächsen auf dem Tabellenblatt. Das hat der GAK schon im letzten Aufeinandertreffen Ende September 2019 zu spüren bekommen. Spielte in Vorarlberg, damals noch vor Zuschauern, auf ein Tor, verlor trotzdem 1:3.
Mit diesen Gedanken gehe ich also ins kleine Gleisdorfer Stadion. Atme endlich wieder echte Fußballluft, genieße das Stadiongefühl. Und obwohl es in dieser speziellen Saison für den GAK um nichts anderes mehr geht als um die Vorbereitung auf die nächste Saison, geht es im Fußball immer um alles.
Dornbirn erfüllt zu Beginn des Spiels auch meine Erwartungen. Sie machen es sich in der Nähe des eigenen Strafraums bequem und lassen dem GAK viel Raum, um Angriff um Angriff zu starten. Aber wie schon im letzten Heimspiel gegen Innsbruck bringt die Feldüberlegenheit vorerst keine wirkliche Torchance, sondern nur einige schöne Szenen hervor. Nach 20 Minuten schreibe ich – natürlich ironisch gemeint - auf meinen Notizzettel, dass Dornbirn versucht, das 0:0 über die Zeit zu bringen, da betreten die Vorarlberger gefühlt zum ersten Mal den Rasen der Grazer Hälfte, und es geht so schnell, dass weder die GAK Verteidigung noch Tormann Weigelt Zeit haben, sich über Shabanis sehenswerten Schuss zu wundern, der sich zum 1:0 für die Vorarlberger Gäste in die rechte Ecke senkt.
In den nächsten Minuten liefern die Dornbirner dem sichtlich geschockten GAK einen munteren Schlagabtausch. Doch schon in der 30. Minute schickt der an diesem heißen Sommernachmittag groß aufspielende Mihajlovic eine perfekte Flanke ins Strafraumzentrum. Dort bringt sich Harrer in ideale Position und nickt den Ball überlegt ins linke untere Eck. Der Vorarlberger Tormann Lang ist chancenlos und kommt zu kurz. Sozusagen.
Dornbirn lässt sich davon jedoch nicht abhalten, richtig mitzuspielen in dieser Phase des Matches. Sie denken gar nicht daran, das zu tun, was ich ihnen vor dem Spiel unterstellt habe: Es sich am eigenen Strafraum bequem zu machen und zu hoffen, dass die Zeit schnell vergeht.
Bis der Pfiff des Schiedsrichters beide Mannschaften zur Abkühlung in die Kabine schickt, haben die Vorarlberger das Tor der Grazer sogar öfter im Visier, als die Heimmannschaft das der Gäste.
Auch nach der Pause zeigt sich ein ähnliches Bild.
Nach zehn Minuten legen die Grazer jedoch einen Gang zu. Rosenberger spielt auf Hackinger, der zieht von der Strafraumgrenze ab. Ein Vorarlberger rettet per Kopf auf der Linie. Eine noch größere Chance findet Perchtold in der 60. Minute vor. Nach einem Eckball bekommt er völlig freistehend den Ball, kann sich die Ecke in aller Ruhe aussuchen. Leider habe ich jedoch folgendes zu notieren: Er setzt den Ball um Zentimeter daneben.
Aber auch Dornbirn kommt zu Chancen. So muss Weigelt, der ein gutes Spiel im GAK Tor abliefert, in der 65. Minute einen platzierten Schuss mit tollem Reflex aus der Ecke fischen. Die hochsommerliche Hitze scheint bei Dornbirn früher seine Spuren zu hinterlassen, sie ziehen sich zurück, der GAK ist nun überlegen und sucht die Entscheidung. Doch die Dornbirner Verteidigung, welche sich zu zwei Viererketten ordnet, ist nicht zu knacken. Ein dazwischen gestreuter Konter der Vorarlberger bringt Graf nach notwendigem Foul sogar noch die gelbe Karte ein.
Ohne eine weitere Großchance für eine der beiden Mannschaften pfeift Schiedsrichter Schüttengruber die Partie nach 93. Minuten ab. So lang durfte ich wieder einmal jenes wunderbare Gefühl eines Fußballspiels spüren, durfte die einzigartige Stadionluft atmen. Und mir schmerzvoll bewusst machen, wie sehr mir das Fußballspiel fehlt.
Wenn man mir also in Zukunft wieder einmal etwas immer vorhanden Gewesenes wegnehmen möchte, dann bitte den Jolly Eislutscher. Oder den nervigen Columbo.