GAK 1902 Aktuelles
News / Claudia Wasserbauer / Sonntag 20.12.2015

Richard Wemmer – sein Weg zurück

Als Fußballer durchlebt Richard Wemmer seine schwierigste Zeit. Die Sportredaktion plauderte mit ihm über sein derzeitiges Leben, seine Verletzung und was möglicherweise die Zukunft bringt.

Du bist überlegen zum „Spieler der Hinrunde 2015/16“ in der Unterliga Mitte gewählt worden. Was bedeutet das für Dich?

Das freut mich riesig! Ich habe das nun schon zum 3. Mal hintereinander geschafft. Es ist auch eine besondere Ehre für mich, da ich bis heute nicht wusste, dass Fußballfans abstimmen. Aus diesem Grund möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mir ihre Stimme gegeben haben.

Es war heute genau vor 63 Tagen, als Du Deine schwere Verletzung beim Spiel gegen SV Andritz erlitten hast.

Das Video, das mir die Sportredaktion des GAK überlassen hat, habe ich gelöscht. Ich habe es nicht mehr ertragen, mir diese Szene anzusehen. Jedes Mal wenn ich mir das angesehen habe, bekam ich Gänsehaut. Ich dachte mir auch, warum soll ich mich damit emotional quälen und herumplagen. Es ist nun einmal passiert. Mental habe ich das Ganze bereits verarbeitet. Jetzt geht es mir wirklich gut und auch die Regeneration verläuft so, wie ich es mir vorgestellt habe.

Wie siehst Du heute die damaligen Ereignisse?

Aus heutiger Sicht, war es einfach ein Ereignis, wie es nun einmal im Sport vorkommt. Das Foul passierte nicht mit Absicht, obwohl der Verteidiger von Andritz etwas ungestüm agierte und nie eine Chance auf den Ball hatte. Es muss einem klar sein, das man in den unteren Ligen immer wieder mit solchen Spielertypen zu tun. Schreckliche Ereignisse passieren immer aus einem bestimmten Grund - so auch dieses. Ich sehe das mittlerweile gelassener und mit weniger Emotionen.

Du hast Dich gegen eine Operation und für die Regenarationstherapie nach Mohamed Khalifa entschieden. Warst Du schon bei ihm in Behandlung?

Es war richtig, dass ich mich für diese Behandlungsmethode entschieden habe. Den Behandlungstermin hatte ich bereits am 1. Dezember in seiner Praxis in Salzburg. Für ein bisschen "Sightseeing" mit meiner Freundin habe ich mir zwei Tage Zeit genommen. Bei meinen ehemaligen Vermietern, bei denen ich früher gewohnt habe, als ich noch in Salzburg gespielt habe, konnte ich übernachten.

Mohamed Khalifa ist ein unglaublicher Typ mit fast 70 Jahren, wobei er Minimum 10 Jahre jünger wirkt. Ein Mensch, der sehr viel über das Leben zu berichten weiß. Erwartet habe ich mir ein großes Therapiezentrum, das seinem Bekanntheitsgrad entspricht.

Seine Praxis ist jedoch kaum zu finden, da sie sich ganz unscheinbar in einer kleinen Gasse befindet und nur mit einem ebenso kleinen Schild darauf hingewiesen wird. Man muss schon wissen, dass dahinter der berühmte Mohamed Khalifa steckt, sonst findet man seine Praxis nie (lacht). Dieses „Therapiezentrum“ teilen sich mehrere Physiotherapeuten, wobei er nur einen Raum beansprucht, in dem er seine Patienten behandelt. Man sieht an diesem Beispiel wieder einmal, dass man nicht viel braucht, um gute Arbeit zu leisten. In erster Linie kommt es nur darauf an, wie gut man seine Arbeit macht.

Wie lange dauert diese einmalige Behandlung?

Ich hatte um 9 Uhr meinen Behandlungstermin und es dauerte eine Stunde.

Was macht er genau, wie läuft die Behandlung ab?

Er hat mein Knie nur mit seinen Händen, eigentlich mit dem Daumen vorne und hinten immer zum Kniegelenk hin behandelt. Teilweise war es sehr schmerzhaft, weil meine Nervenbahnen wie auch die Muskelfasern nicht frei (verklebt) waren. Insgesamt hatte ich mit Schlimmerem gerechnet. Ich war total entspannt und habe so versucht mitzuhelfen.

Hattest Du nach der Behandlung starke Schmerzen und konntest Du gleich wieder aufstehen und das Knie normal belasten, so wie es viele berichten?

An der Innenseite des Knies hatte ich vor der Behandlung ein unangenehmes, taubes Gefühl - fast wie abgestorben. Nach der Behandlung war das weg und ich verspürte sogar an der Innenseite des Knies Muskelzucken. Mohamed Khalifa hat auch einige Tests an meinem Knie durchgeführt. Ich musste z. B. gegen seinen Widerstand mein Knie durchstrecken, was davor unmöglich war. Er hat mir gesagt, dass ich aufstehen und im Raum springen und laufen soll. Sicher war ich mir nicht, ob ich das wirklich tun soll. Ich habe aber darauf vertraut und begann langsam zu gehen, bin gelaufen, habe begonnen zu hüpfen, worauf er meine Freundin hereingebeten hat, damit sie auch daran teilhaben kann. Auch das Hüpfen auf meinem verletzten linken Knie mit Drehungen etc. hat funktioniert. Insgesamt hat sich alles frei und locker angefühlt.

Abschließend hat er mich gebeten, ehrlich seine Meinung über mich sagen zu dürfen. Er meinte, dass ich mit meinem Körper machen würde, was ich wollte. Wenn ich so weitermache, gibt er mir noch 10 Jahre. Ich müsse ab sofort mehr auf mich achten.

Überrascht hat mich das nicht. Wenn man bedenkt, wie wir alle mit unserem Körper umgehen, ist das nur eine logische Folge. Die Ursachen sind vielfältig. Es beginnt schon mit unserer Erziehung, mit den Trainern in unserer Kindheit. Bei Schmerzen soll man nicht so wehleidig sein, sonst ist man eine Memme, man ist ja nicht krank usw.. Für Ruhm, Anerkennung und Reichtum sind wir bereit immer wieder über unsere körperlichen Grenzen zu gehen. Wir alle sollten mehr auf unsere innere Stimme hören.

Mohamed Khalifa hat mir gestanden, dass er auch einmal so gelebt hat, bis er sein Leben radikal geändert hat. Wenn er das nicht getan hätte, könnte er mit fast 70 Jahren seiner Arbeit nicht mehr nachgehen.

Wenn man nicht wüsste, dass Du einen Kreuzbandriss hast - man käme nie auf die Idee....

Genau das Gleiche hat mir gestern eine gemeinsame Bekannte gesagt. Als Sie mich sah, konnte sie es auch nicht glauben, dass ich das bin.

Wenn ich den Weg der Schulmedizin gegangen wäre, dann würde eine Rückkehr zum Fußball in frühestens 6 Monaten möglich sein. Ein unglaubliches Beispiel ist Kevin Moderer, ehemaliger Eishockeyspieler der Graz99ers und jetzt bei den Black Wings Linz. Nach der Behandlung durch Mohamed Khalifa ist er bereits nach 2 Wochen wieder auf dem Eis gestanden und hatte auch einen Kreuzbandriss.

Wann hast Du die erste Kontrolluntersuchung?

Es gibt keine Kontrolluntersuchung. Nach Aussage von Mohamed Kalifa ist es damit getan. Mein Knie ist wieder Ordnung und es kommt jetzt nur darauf an, dass ich seine Anweisungen befolge.

Wie schaut die weitere Therapie aus?

Ich musste täglich und das 14 Tage lang, Topfenwickel auflegen. Damit bin ich fertig und behandle mein Knie nun mit einer speziellen „Khalifa Gelenkscreme“, die ich von ihm bekommen habe. Drei Monate soll ich Drehbewegungen vermeiden.

Nebenbei arbeite ich im Fitnessstudio am Muskelaufbau und meiner Fitness, ohne aber zu übertreiben. Ich trainiere so, dass ich mich wohlfühle. Mohamed Khalifa meinte auch, dass der Fußballsport für mich nichts ist. Fest steht, wenn ich wieder zu früh mit dem Fußball beginne, ist ein Rückfall nicht auszuschließen.

Obwohl ich ihm von Problemen mit meinem linken Sprunggelenk nichts erzählt habe, hat er mich darauf angesprochen und gemeint, dass ich meine Uhr ablegen soll. Er meinte damit, das Training nicht nach Zeit auszurichten, sondern nach meiner inneren Uhr. Ich soll nicht unbedingt 50 Minuten Lauftraining absolvieren, nur weil es so vorgeschrieben ist. Das Training soll so ausgerichtet sein, wie es Spaß macht und meinem Körper gut tut.

Wirst Du wieder Fußballspielen können?

Das werde ich sicher. Die andere Frage ist, ob ich das will. Ich bin schon 34 Jahre alt und mitten in einer Berufsausbildung, die mir wichtiger ist. Außerdem möchte ich meine Ausbildung nicht aufs Spiel setzen. Wenn ich noch einmal eine schwere Verletzung hätte, und meine Ausbildung dadurch nicht beenden könnte, wäre das für meine Zukunft eine Katastrophe. Ich sage nicht Nein, aber auch nicht, dass ich unbedingt wieder Fußball spielen möchte.

Im März werde ich eine Magnetresonanz (MR) machen lassen, damit ich Gewissheit habe, in welchem Zustand das Kreuzband ist. Wenn die Diagnose positiv ist und wenn ich das Gefühl habe es passt, werde ich wieder auf den Platz gehen und auf jeden Fall bis Sommer spielen. Danach möchte ich im Trainerstab mitarbeiten, und wenn ich gebraucht werde, der Mannschaft am Platz helfen.

Wenn ich aber das Gefühl habe, dass es nicht mehr geht oder gar Angst verspüre, dann werde ich eine mögliche Verletzung nicht mehr riskieren. Es würde niemanden helfen.

Sollte Letzteres eintreten – ein Abschiedsspiel werden die Fans des GAK aber noch erleben?

Das auf jeden Fall. Mit einem Kreuzbandriss verabschiede ich mich sicher nicht. Sollte es aber wirklich nicht sein, dann werde ich unsere Spieler im Trainerstab unterstützen, soweit es in meinem Aufgabenbereich möglich ist.

Was sagt Deine bezaubernde Lebenspartnerin bzw. Deine Familie dazu?

Meine Familie unterstützt mich und sieht das auch so. Meiner Partnerin ist es wichtig, dass ich glücklich bin, in dem was ich mache. Das überlässt sie mir. Auch in meiner Familie hat das niemand glauben können, dass ein Kreuzbandriss auch ohne Operation heilen kann.

Einer muss immer den Anfang machen und den Stein ins Rollen bringen. Ich hoffe, ich habe anderen einen Denkanstoß gegeben.

Anderes Thema: Du kennst Patrick Haider, unseren neuen Tormann schon sehr lange. Wie schätzt Du ihn ein?

Ich kenn ihn bereits seit der Zeit, als ich noch bei der Sozialversicherung arbeitete, wo sein Vater Betriebsrat ist. Patrick arbeitete dort in seiner Schulzeit jeden Sommer als Ferialpraktikant. Ich kenne ihn aber auch aus meiner Zeit bei SV Thal und schätze ihn sehr. Er passt menschlich sicher sehr gut in die Mannschaft und bin auch von seinen Qualitäten als Tormann überzeugt.

Siehst Du den Aufstieg in die Oberliga gefährdet, bzw. was fehlt Deiner Meinung nach?

Grundsätzlich ist der Aufstieg aus meiner Sicht alles andere als sicher, weil es noch offen ist, ob, wie und wann ich zurückkomme. Ich würde mich freuen, wenn alles nach Plan läuft, so wie ich es mir vorstelle.

Alternativen sind unbedingt notwendig. Der Verein hat bisher so viel aufgebaut, daher darf der eingeschlagene Weg nicht verlassen werden. Wichtig wären auf jeden Fall ein offensiver Spieler, der im Angriff mehrere Positionen spielen kann und einer im zentralen Mittelfeld.

Die Auslosung für die Fußball-EM im kommenden Jahr ist gelaufen. Deine Einschätzung?

Es ist großartig, dass wir dabei sind, und werde mit der Nationalmannschaft mitfiebern. Ich glaube schon, dass wir die Gruppenphase überstehen können. Island ist aus meiner Sicht ein unangenehmer Gegner, könnte sich als Favoritenschreck herausstellen und darf nicht unterschätzt werden.

Portugal wird sicher nicht unterschätzt, da sie einen großen Namen haben. Eigentlich besteht diese Mannschaft nur aus Cristiano Ronaldo. Der Rest ist Durchschnitt, daher wird Österreich mit Portugal kaum Probleme haben.

Ungarn kann sicher ebenfalls überraschen, wobei ich sie nicht so unangenehm erwarte wie Island.

Was glaubst Du, welche Möglichkeiten unsere Nationalmannschaft in Frankreich haben wird?

Wenn die Gruppenphase überstanden ist und wir mit etwas Losglück das Viertelfinalspiel gewinnen, sind wir schon im Halbfinale. Das geht relativ schnell. Ich traue der Mannschaft definitiv das Halbfinale zu.

Weihnachten steht vor der Tür. Wie verbringst Du die Feiertage?

Zu Hause, ganz gemütlich bei meiner Familie. Wir schenken uns nur Kleinigkeiten, da das Schenken bei uns nicht im Vordergrund steht. Wichtig ist, die Zeit miteinander zu verbringen. Weihnachtsstress habe ich auch nicht. Meine Schwester unterstütze ich bei den Geschenken für meine Neffen.

Hast Du Vorsätze für 2016?

Von Vorsätzen halte ich nichts. Wenn man einen Vorsatz hat, kann man ihn gleich umsetzen und muss nicht auf das nächste Jahr warten. Diejenigen, die Vorsätze für das neue Jahr haben, ziehen das meist nur kurze Zeit durch.

Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft und eine wunderbare Weihnachtszeit.

DER GRAZER STADTKLUB - gegründet 18.08.1902