Der Grat zwischen Elferkiller und Steirertor, zwischen Matchwinner und Sargnagel ist seit jeher ein schmaler ...
„Mit einem Schlage beherrscht die deutsche Läuferreihe das Feld und drückt den eigenen Angriff vorwärts, die österreichische Hintermannschaft wird nervös und unruhig, sie begeht Fehler auf Fehler, nur einer steht wie eine Mauer Rudi Hiden. … Johannes „Hanne“ Sobek, Berlins Liebling, knallt aus der rechten Verbindung darauf los. Ein kritischer Moment für uns ist gekommen, ein Moment, in dem das anscheinend schon sicher gewonnene Spiel leicht verlorengehen kann. … Wieder und wieder sausen scharf geschossene Bälle gegen unser Tor, die Österreicher sind fast vom Felde verschwunden, bis auf einen; der schlanke Keeper im hellen Sweater ist unüberwindlich. Wie ein Magnet zieht er die Bälle auf sich, in unbegreiflicher Gewandtheit erreicht er die Schüsse, die in die äußere Ecke des fast nur von ihm allein verteidigten Tores zu gehen drohen. Die Menge weiß sich vor Erstaunen beim Anblick dieser einzigen, einzigartigen Torwartleistung nicht zu fassen. Immer lauter wird der Beifall, den Rudolf „Rudi“ Hiden findet, die Leute toben und rasen…. Durch fast 20 Minuten dauert der Riesenkampf, den Hiden förmlich allein gegen die ganze deutsche Mannschaft ausficht."
In diese Worte goss die Kommentatorenlegende Willy Schmieger die dramatischen Anfangsminuten der zweiten Spielhälfte jenes denkwürdigen 24. Mai 1931 in Berlin, als die solide 3:0 Halbzeitführung des österreichischen Wunderteams in Gefahr geriet. Doch dank der geschilderten Tormannleistung und dem daraus wiedergewonnen Selbstvertrauen der Elf stand am Ende ein historischer 6:0 Erfolg gegen die DFB-Auswahl. Eine wahre Hymne auf jenen Mann auf der Torlinie, der sich seinen Weg vom Grazer Augarten über den GAK-Platz und den Wiener Prater schließlich auf die Spielfelder Frankreichs bahnte. Es soll an dieser Stelle aber nicht um den ehemaligen Bäckerlehrling Rudi Hiden (19. März 1909 – 11. September 1973) gehen, dessen Leben und Leistungen im Tor des GAK, des WAC und des Wunderteams sowie bei Racing Paris und in der französischen Nationalmannschaft bereits an anderer Stelle Thema waren, sondern vielmehr um die Rolle des Torwarts an sich und in ausgewählten Aspekten der GAK-Geschichte im Speziellen.
Denn keine der elf zu besetzenden Positionen am Spielfeld der wichtigsten Nebensache der Welt hat ein höheres Potential, einen Spieler von einer Sekunde auf die nächste zum Helden oder Buhmann im Stadion werden zu lassen. Der Grat zwischen Elferkiller und Steirertor – der Ursprung dieses „Fachbegriffs“ wird in urban legends immer noch gerne (allerdings ohne historische Beweisbarkeit) dem gerade vom GAK zum WAC gewechselten Rudi Hiden zugeschrieben –, zwischen Matchwinner und Sargnagel ist seit jeher ein schmaler. Verantwortlich dafür, dass der Ball eben nicht in den Maschen des in Österreich seit 1898 mit einem Netz bespannten Tores zappelt, sind die vom Regelwerk besonders bevorrechteten Goalies – unentbehrlicher Teil, nicht selten aber auch mit die eigenwilligsten Persönlichkeiten auf dem Rasen (wem kämen hier nicht Olli Kahn, Jean-Marie Pfaff oder René Higuita in den Sinn). Eine vollumfassende Historie der Torleute im GAK-Dress ist an dieser Stelle selbstredend nicht möglich, und so präsentieren sich die folgenden Zeilen als eine persönliche Auswahl, die sich an bestimmten, ebenso subjektiven, thematischen Eckpfeilern orientiert. Diese werden – nach einem Blick auf den ersten Keeper der Vereinsgeschichte – die ins österreichische Nationalteam berufenen GAK-Torleute sowie die Legionäre zwischen den rot-weißen Gehäusestangen in den Fokus treten lassen.
Der Pionier
Karl Ludwig Markel (3. September 1883 – 2. Februar 1959), einer der Gründerväter der Grazer Athletiker und multiples Sporttalent, steht am Beginn einer Reihe beeindruckender Männer, die in mehr als 120 Jahren den rot-weißen Kasten vor Gegentreffern zu bewahren suchten. Markel war nicht nur eine der treibenden Kräfte bei der Vereinsgründung im Sommer 1902, sondern dank des Kapitals seiner Mutter Anna, die nach dem Tod seines gleichnamigen Vaters die elterliche „Plakatierungsanstalt“ in Graz führte, auch hauptverantwortlich dafür, dass der gerade aus der Taufe gehobene GAK in der Körösistraße ein passendes Grundstück pachten und als sportliche Heimstätte adaptieren konnte. Hier erwarb sich der in vielerlei Hinsicht unverzichtbare Rückhalt des jungen Teams beim ersten internationalen Kräftemessen gegen den FC Ödenburg, das am 14. September 1902 mit 4:1 gewonnen wurde, wie auch in den Derbys gegen den zeitgenössischen Erzrivalen in Gestalt des Akademischen Sportvereins seine fußballerischen Meriten, die er mit Unterbrechungen in den Folgejahren noch vermehren sollte. Doch das runde Leder war keineswegs das einzige Sportgerät, das der Vollblutathlet(iker) perfekt beherrschte. So heimste er etwa Wettbewerbssiege und Spitzenplätze im Schwimmen, Radfahren und bei Motorradrennen ein und war in den Nuller- und Zehnerjahren des 20. Jahrhunderts eine der dominierenden Figuren im Rodel- und Bobsport. Karl Markel, dessen elterliche Reklamefirma 1924 in mehr oder minder feindlicher Übernahme vom neu gegründeten „Ankünder“ geschluckt wurde, verdiente seinen eher kärglichen Lebensunterhalt, nach einigen beruflichen Misserfolgen in den späten 20er Jahren, von 1935 bis zu seiner Pensionierung 1949 als Angestellter der Bestattungsanstalt der Stadt Graz, die einer der frühen Größen des Lokalsports jedoch bislang kein gebührendes Gedächtnis zuteilwerden ließ.
Regional – national – international
In den ersten Jahrzehnten des Fußballbooms in unserem Land maßen sich die in rascher Abfolge gegründeten Vereine zum einen in lokalen und regionalen Vergleichskämpfen. Eine übergeordnete nationale Liga, die einen fixen Rahmen für ein regelmäßiges Kräftemessen mit anderen Mannschaften aus den Kronländern der Monarchie bzw. Bundesländern der jungen Ersten Republik bieten hätte können, existierte noch nicht. Lokale Begegnungen gegen Stadtrivalen, regionale Bundesländermeisterschaften, Bundesländervergleichskämpfe, Einladungsspiele gegen internationale Gegner und Gastspielreisen in zum Teil exotische Länder boten den Spielern dieser Jahre Möglichkeiten, Erfahrungen und Meriten sammeln. Aus den besten Spielern des jeweiligen Bundeslandes rekrutierte Auswahlmannschaften matchten sich mit anderen Landes- und Städteteams des sich nach 1918 neuformierenden Österreichs ebenso wie mit repräsentativen Auswahlmannschaften anderer Staaten.
Die österreichische Nationalmannschaft der 1920er und 1930er Jahre, die zwischen 1931 und 1933 als „Wunderteam“ europaweit für Furore sorgte, war bei genauer Betrachtung eine Wiener Repräsentativauswahl, gleichsam unter Ausschluss der „Provinzkicker“ aus dem übrigen Bundesgebiet. Der herausragendste Schlussmann und zugleich eine der strahlendsten Persönlichkeiten dieser Ära jedoch war der aus der Grazer Schönaugasse in die große Fußballwelt gezogene Rudi Hiden. Aus den Reihen des GAK in die steirische Auswahl berufen, gab der gerade einmal 17-Jährige im Mai 1926 gegen Budapest sein internationales Debüt, dem 1927 der Transfer in den österreichischen Fußball-Nabel Wien und 1928 die Berufung ins Nationalteam (3:0-Sieg gegen Jugoslawien) als nächste Karriereschritte folgten. Die Tür zur internationalen Bühne tat sich für Hiden erstmals 1930 einen breiten Spalt weit auf, doch der bereits vereinbarte Wechsel vom WAC zu Arsenal und damit ins Mutterland des soccer scheiterte im letzten Augenblick an der nicht erteilten Arbeitserlaubnis der Engländer – eine Geschichte die sich für GAK-Keeper in den Folgejahrzehnten noch einmal wiederholen und ein weiteres Mal einen guten Ausgang nehmen sollte. 1933 schließlich engagierte Racing Paris den Grazer, der mit den „Pingouines” mehrere nationale Titel errang und in seinem neuen Heimatland Frankreich 1940 sogar zu Nationalteamehren kam – schließlich war seine österreichische Heimat mit dem Anschluss an Hitlerdeutschland seit März 1938 als eigenständiger Staat von der politischen Landkarte verschwunden.
Nach den dunklen Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft und des von ihnen entfachten Weltenbrandes bedurfte es im wiederaufzubauenden Österreich auf vielen Ebenen eines Neuanfangs – so auch im Fußball. Nach dem Ende des NS-Regimes, in dem die österreichischen Vereine in der Gauliga Bereichsklasse 17 spielten, wurde die noch im Ständestand 1937/38 entwickelte Idee einer Nationalliga wiederbelebt. Waren vor dem Krieg noch nicht alle österreichischen Bundesländer in diese Liga einbezogen gewesen, änderte sich dies ab der Spielsaison 1949/50. Trotz Struktur- und Namensänderungen (zunächst ÖFB-Liga, dann Staatsliga, Nationalliga, 1. Division und schließlich Bundesliga) blieb der prinzipiell gesamtösterreichische Vergleichskampf im Meisterschaftsmodus bis heute als Grundgerüst gewahrt.
Auch wenn die höchste österreichische Spielklasse und damit auch die Zusammensetzung des Nationalteams bis Ende der 1960er Jahre von Wiener Vereinen dominiert wurde, kam Spielerlegende und Teamchef Karl Decker in diesen Jahren um das GAK-Tormanntalent Gernot Fraydl (* 10. Dezember 1939) nicht herum. Der 1957 von seinem Stammverein Deutschlandsberg praktisch direttissima in die Kampfmannschaft des GAK gekommene 17-Jährige hatte sich binnen kürzester Zeit das Einsertrikot der Roten gesichert, das in 71 Staatsligaspielen in vier Saisonen tragen sollte, und setzte Ende der 1950er Jahre zu einer Karriere an, die jener Rudi Hidens in manchen Aspekten durchaus ähnelt. Das am 27. Mai 1961 beim 3:1 Heimsieg über England erstmals getragene österreichische Teamdress sollte Fraydl bis 1970 insgesamt 27 Mal überstreifen. Wieder war es ein Steirer mit GAK-Wurzeln, der den soliden Rückhalt der als „zweites Wunderteam“ gefeierten Nationalmannschaft bildete. Nur die vom ÖFB aus fadenscheinigen Gründen zurückgezogene Nennung für die 1962 in Chile ausgetragene WM brachte Fraydl um die verdiente Krönung jeder Kickerlaufbahn, die aber ungeachtet dessen zahlreiche Höhepunkte erleben sollte. Mit der Wiener Austria, die den GAK-Schlussmann im Sommer 1961 erworben hatte, holte er 1962 und 1963 das Double und spielte in insgesamt acht Partien im Cup der Meister, dem Vorgängerbewerb der Champions League. Wie einst Rudi Hiden als Inbegriff des zeitgenössischen Tormannspiels gefeiert und vom GAK an einen wesentlich finanzkräftigeren Wiener Verein abgegeben, tut sich noch eine weitere Parallele in diesen beiden Sportlerbiographien auf – das Scheitern einer schon sicher scheinenden Verpflichtung bei Arsenal. Denn auch Gernot Fraydls 1966 aufgesetzter Vorvertrag mit dem englischen Traditionsklub fand mangels einer fehlenden Arbeitserlaubnis für die Insel keine Realisierung. Die mit den rigiden Disziplinvorstellungen des Austria-Trainers Karl Schlechta nicht immer kompatible Lebensführung abseits des Platzes kostete den Genussmenschen Fraydl das violette Stammleiberl und führte ihn weiter zu Wacker Innsbruck und Schwarz-Weiß Bregenz (1965 – 1967). Im Anschluss zog es den „Spinne“ betitelten Goalie in die USA, wo „Gerry“ (!) 1967/68 in der gerade entstehenden professionellen Soccer-League bei den Philadelphia Spartans und den St. Louis Stars fußballerische Entwicklungshilfe leistete. Fortsetzung fand seine internationale Karriere ab der Saison 1968/69 in Deutschland beim Bundesligaaufsteiger Hertha BSC und 1860 München. Nach Österreich zurückgekehrt, lief er noch für die Vienna (1971/72) und nach einer Pause 1974 nochmals beim heimatlichen DSC in Deutschlandsberg auf, dem er schließlich von 1977 bis 1980 und ein weiteres Mal 1984 auch als Trainer zu sportlichen Erfolgen verhalf – kein Wunder also, dass er von Fans zum Jahrhundertsportler der Stadt Deutschlandsberg gewählt wurde. Doch auch in Graz hat sich Gernot Fraydl als Trainer in die Erinnerung eingeschrieben – und das bei den beiden Stadtrivalen in gleichem Maße. Im Sommer 1982 nämlich beerbte er Otto Baric als Trainer des SK Sturm, mit dem er im Jahr darauf im Viertelfinale des UEFA-Pokals nur denkbar knapp an Nottingham Forest scheiterte. Nach quasi fliegendem Wechsel saß er in der Folge 43 Mal auf der Trainerbank der Roten und führte diese in der Saison 1985/86 auf Platz sechs der Bundesliga.
Auf ein gleichfalls schwarz-rotes Doppelleben, allerdings am Beginn seiner Karriere, kann auch Gerfried Hodschar (* 24. März 1945) zurückblicken. Der gleichsam aus einer „altösterreichischen“ Verbindung – sein Vater stammte aus Maribor, seine Mutter war Südtirolerin – hervorgegangene Steirer hatte entgegen des ausdrücklichen Verbots seines Vaters schon als Schüler heimlich zu kicken begonnen. 1965 wechselte er von seinem Jugendverein Sturm zum GAK, für den er bis 1969 insgesamt 73 Spiele in der Nationalliga absolvierte. Seine souveräne Beherrschung des Luftraums und seine überzeugenden Leistungen auf der Linie führten den Flankenkiller über die U-23-Nationalmannschaft schließlich auch ins A-Team, wo er am 6. September 1967 gegen Ungarn (1:3) sein Debüt gab. Dieser Karrierehöhepunkt war unglücklicherweise zugleich eine schicksalhafte Zäsur in seinem Sportlerleben, da er sich während dieser Begegnung einen Kreuzbandriss und eine Meniskusverletzung zuzog. Doch der Kämpfer kehrte nicht nur in den GAK-Kader, mit dem er 1968 das Cupfinale gegen Rapid und im Herbst des Jahres das Auswärtsspiel im Pokalsiegerbewerb gegen ADO Den Haag bestritt, sondern 1972 gegen Rumänien (1:1) auch ein weiteres Mal in die Nationalelf zurück. Ab 1969 zunächst bei Red Star Penzing und ab 1972 bei der Austria in Wien tätig, zog es ihn 1973 zum SV Lebring in seine steirische Heimat zurück. Hier fügte es sich, dass gleich zwei ehemalige österreichische Teamkeeper zugleich am Spielfeld agierten – Hodschar im Tor und Dr. Günther Paulitsch (* 14. November 1939), Oberlandesgerichtsrat und ehemaliger Sturmtorhüter, der 1964 ein Ländermatch gegen die Sowjetunion (1:1) bestritten hatte, als Lebringer Spielertrainer aber inzwischen die Stopperposition ausfüllte. In der Folge gab der als Oberamtsrat beim Land Steiermark bedienstete Gerfried Hodschar der Traditionsmannschaft von GAK’61 noch mehr als 100 Mal souveränen Rückhalt.
Was Hiden und Fraydl verwehrt geblieben war, sollte im Herbst 1997 Alexander Manninger (* 4. Juni 1977) endlich gelingen – der Transfer zu Arsenal. Für den ersten österreichischen Spieler, der den Sprung in die Premier League schaffte, flossen 500.000 Pfund in die Vereinskassa des GAK, wo der blutjunge Salzburger in der Saison 1996/97 eine Blitzkarriere hingelegt hatte. Von der Salzburger Austria über Vorwärts Steyr nach Graz gekommen, war sein Stern im Oktober 1996 in den legendären UEFA-Cupspielen gegen Inter Mailand aufgegangen. Als Ersatz für den krankheitsbedingt ausgefallenen Franz Almer brachte der 19-Jährige Salzburger die italienische Millionentruppe im Meazza-Stadion zur Verzweiflung, und als im Rückspiel in Kapfenberg die 1:0 Niederlage aus Mailand dank des Treffers von Herfried Sabitzer und den wiederholten Paraden Manningers egalisiert werden konnte, war die Sensation zum Greifen nahe. Erst im entscheidenden Elfmeterschießen musste sich die „Provinztruppe“ den Weltstars rund um Pagliuca, Djorkaeff und Zamorano geschlagen geben. Alexander Manninger aber hatte sich ins internationale Rampenlicht und in die Standardtorhüterposition der roten Teufel manövriert, die er unter Gustl Starek bei 24 Gegentreffern insgesamt 23 Mal ausfüllte. Als Backup für den 75fachen Nationalkeeper David Seaman (* 19. September 1963) nach London geholt, ersetzte er diesen während längerer Verletzungspausen und wurde in seiner ersten Premier-League-Saison als erster und bislang einziger Reservetorhüter als „Player-of-the-month“ ausgezeichnet. Im selben Jahr holte er mit Arsenal vor Manchester United den englischen Meistertitel. 2001 verließ Manninger die Insel in Richtung Italien, um beim AC Florenz anzuheuern. Rasch aufeinanderfolgende Wechsel ließen ihn in den folgenden Jahren bei Espanyol Barcelona, beim FC Turin, dem FC Bologna und beim AC Siena andocken, ehe er im Juli 2005 zu seinem Jugendverein, der inzwischen zum FC Red Bull Salzburg geworden war, zurückkehrte. Doch bald schon lockte neuerlich Italien, wo er nach Intermezzos beim AC Siena und Udinese Calcio 2008 beim italienischen Rekordmeister Juventus Turin unter Vertrag genommen wurde. Auch hier war es wieder einmal die Verletzung des Stammtorhüters, in diesem Fall des italienischen Nationalhelden Gianluigi Buffon (* 28. Jänner 1978), die den Fans und der Fachwelt die unglaubliche Klasse des Österreichers vor Augen führte, so dass ihn die Gazzetta dello Sport zum besten Torhüter der Hinrunde 2008 wählte. Nach zwei vereinslosen Jahren unternahm er 2012 beim FC Augsburg einen neuerlichen Anlauf in einer der renommiertesten europäischen Ligen, für den er bis 2016 sporadisch in der deutschen Bundesliga auflief. Nach 22 Profijahren schließlich beendete Alexander Manninger im Mai 2017 unter Jürgen Klopp seine Karriere an der Liverpooler Anfield Road. Bei seinen Vereinswechseln brach Manninger mit seinen Ablösesummen wiederholt Rekorde. Alle Transfers zusammengerechnet, ist Alexander Manninger mit insgesamt 6,92 Millionen Euro bis heute der Spitzenreiter in der Erlösrangliste österreichischer Torhüter. Dass auch die österreichischen Nationaltrainer am internationalen Spitzentorhüter nicht vorbeikamen, liegt geradezu auf der Hand, auch wenn es Manninger nie gelang, die unumstrittene Nummer Eins im Teamdress zu werden. Seine 33 Spiele umfassende Teamkarriere zwischen 1999 und 2009 war von Höhen und Tiefen gekennzeichnet, wobei eine schwere Schulterverletzung im WM-Qualifikationsspiel gegen Nordirland im Oktober 2004 und die Reservistenrolle bei der Heim-EM 2008 zu seinen sicherlich schmerzlichsten Erfahrungen zählten.
Der in der chronologischen Reihenfolge bislang letzte GAK-Keeper, der es zu Nationalteamehren brachte, ist mit dem gebürtigen Eisenerzer Andreas Schranz (* 2. Mai 1979) eine wahrlich tragende Säule unserer Klubgeschichte. Von den GAK-Amateuren, wo er 1997 das rot-weiße Dress erstmals übergestreift hatte, holte ihn sein Förderer und nunmehriger Cheftrainer Werner Gregoritsch als Ersatz für den Standardkeeper Franz Almer in die Profimannschaft, wo er seine Qualitäten in längeren Verletzungspausen Almers nachhaltig unter Beweis stellen konnte. Eine schwere Schulterverletzung Almers im Winter 2003 ließ Schranz endgültig zur Nr. 1 unseres gerade auf höchstem Niveau agierenden Teams werden. Am 28. April 2004 gab Schranz im 300. Heimspiel des ÖFB-Teams gegen Luxemburg sein Nationalteamdebüt (4:1), dem zahlreiche Einberufungen und fünf weitere Länderspieleinsätze folgen sollten. Allerdings wurde seine bis dato so erfolgreiche Frühjahrssaison 2004 von seinem kurz darauf folgenden Verletzungspech überschattet – und dass unmittelbar vor dem absoluten Höhepunkt der Klubgeschichte. Eine Woche nach seinem 25. Geburtstag, inmitten der entscheidenden Phase des Titelkampfs und einen Tag vor dem Cuphalbfinalspiel gegen SV Ried, zog sich Schranz im Training Kapsel- und Bänderrisse im Knöchel zu und musste auf die weitere aktive Teilhabe am Doublegewinn in dieser Saison verzichten, konnte aber im Herbst 2004 wieder auf seinen Stammplatz zurückkehren. Auch Teamchef Hans Krankl setzte nach seiner Genesung wieder auf den GAK-Schlussmann, der sich allerdings beim Aufwärmen für das WM-Qualifikationsmatch gegen England am 4. September 2004 neuerlich verletzte und von Alexander Manninger vertreten werden musste. Nach der Sommerpause des Konkursjahres 2007 wechselte Schranz nach insgesamt 260 Spielen, 66 davon ohne Gegentreffer, für den GAK als Stammtorhüter zum neugegründeten SK Austria Kärnten. In der Folge verstärkte er, wieder von schweren Verletzungen unterbrochen, ab 2010 den SV Grödig, wo er schließlich auch seine Karriere als Aktiver beendete. Dem Fußballsport freilich blieb Andreas Schranz als Torwarttrainer lokaler steirischer Kampf- und Jugendmannschaften bis heute erhalten.
Rückhalt aus der südlichen Nachbarschaft – Torhüter aus (Ex-)Jugoslawien und dessen Nachfolgestaaten
Nach englischem Vorbild legalisierte Österreich als erstes Land auf dem europäischen Kontinent mit der Saison 1924/25 den bis dahin verpönten und vielfach „unter der Hand“ betriebenen Profifußball. Sportliche Leistung gegen Entgelt in einer wirtschaftlich weltweit herausfordernden Zeit machte unser Land verständlicherweise auch rasch für Kicker ohne österreichischen Pass interessant, und schon bald bekamen die ins Land kommenden ballestrischen Gastarbeiter das bis heute gängige Etikett „Legionäre“ umgehängt. Auch in den Reihen des GAK war mit dem Bulgaren Dimiter Zwetkoff, der 1920 für ein Studium an der Technischen Hochschule nach Graz gekommen war, bereits sehr früh ein ausländischer Spieler aktiv, der allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich Nachfolger finden sollte. Nach dem Gewinn des steirischen Meistertitels und seinem Studienabschluss kehrte Zwetkoff 1926 dem GAK den Rücken und in seine Heimat zurück, wo er allerdings bereits Anfang 1927 verstarb. Die in diesen Jahren angestoßene Entwicklung der heimischen Fußballstadien zu attraktiven Arbeitsplätzen für Ballkünstler aus nah und fern wurde von den Nationalsozialisten unterbrochen, deren Verbot des Profibetriebs vom Anschluss 1938 bis zur Befreiung Österreichs 1945 auch in sportlicher Hinsicht eine – glücklicherweise vorübergehende – Zäsur bedeutete. Unter zunächst strengen Reglementierungen und Kontigentierungen begann der wiedererstehende Fußball im Nachkriegs-Österreich auch wieder nach Verstärkungen aus dem Ausland Ausschau halten, wobei in der Zeit des sich verschärfenden Kalten Kriegs gerade das benachbarte und vor allem blockfreie Jugoslawien einen ergiebigen Pool an talentierten und hochklassigen Spielern bereithielt. Die geographische Nähe und traditionellen Verbindungen zum Balkanraum spielten steirischen Vereinen dabei in die Hände, wenn es darum ging, Schlüsselpositionen mit hochkarätigen Leistungsträgern zu besetzen. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass die bisherigen Legionäre im GAK-Gehäuse mit Ausnahme des in München geborenen Tomas Tomic (* 10. Januar 1977), der zwischen 1998 und 2000 unter Klaus Augenthaler in vier Bundesligaspielen, einer Pokalpartie und im UEFA-Cup 1998/99 in den beiden Zweitrundenmatches gegen AS Monaco zum Einsatz kam, aus dem ehemaligen Jugoslawien bzw. den aus diesem hervorgegangenen Republiken stammten.
Die Reihe der jugoslawischen Keeper in Diensten des GAK eröffnete Eugen Ravnic (* 21. Mai 1933) aus dem heute kroatischen Rijeka. In der Winterpause 1962/63 für den, beim Skifahren schwer verletzten Standardtorwart Erich Welk (6. April 1939 – 18. März 2023) nach Graz geholt, hütete er das Grazer Gehäuse mit Unterbrechungen bis 1966 in 36 Staatsliga-, fünf Nationalliga- und zwei Cupspielen, ehe er zum USV Rudersdorf in die Burgenlandliga abwanderte. Zwischenzeitlich – Ravnic war zu dieser Zeit an den GSC verliehen – streifte in der Saison 1964/65 sein Landsmann Ante Jurič (* 1. Februar 1934) insgesamt elf Mal das rote Tormanntrikot über.
Mit Zoran Mišić (* 22. August 1937 auf dem Boden der heutigen Republik Nordmazedonien) stand ab dem Sommer 1969 eine bereits renommierte Tormanngröße aus Jugoslawien zwischen den Pfosten des GAK. Nach seinen Anfängen bei FK Vardar Skopje, NK Rijeka und NK Zagreb hatte der Keeper 1966 einen Vertrag beim FC Twente in den Niederlanden unterschrieben. In den folgenden zwei Spielzeiten war er Stammtorhüter der Tukkers, ehe Twente 1968 Piet Schrijvers als neuen Einsergoalie verpflichtete. Über eine kurze Zwischenstation bei NK Zagreb fand der Matchhungrige daher seinen Weg nach Graz, wo er für die Rotjacken bis 1972 insgesamt 72 Einsätze, 63 davon in der Nationalliga, absolvierte. Danach kehrte Mišić zum FC Twente zurück, wo ihm allerdings neuerlich lediglich die Rolle des Reservisten für den 46fachen niederländischen Nationaltorhüter Piet Schrijvers (1946 – 2022) zukam. Nach insgesamt nur fünf Saisoneinsätzen verließ er die Niederlande 1973 in Richtung des heimatlichen Skopje, wo er im folgenden Jahr beim lokalen FK seine aktive Fußballkarriere beendete. Auch wenn Zoran Mišić für seine beeindruckenden Flugeinlagen auf der Linie gefeiert wurde (siehe auch das Titelbild vom Mitropacupspiel am 6. April 1971 bei MTK Budapest – eine fotografische Perle aus der vereinseigenen Sammlung von Friedrich Fischer, Anm.) und den GAK in insgesamt 24 Spielen ohne Gegentreffer über die 90 Minuten brachte, schrieb er sich vor allem durch seine (Nicht)Beteiligung an einem der kuriosesten Tore der österreichischen Ligageschichte in die Fußballannalen ein. Denn als der Schiedsrichter im Spiel gegen Wattens die zweite Halbzeit anpfiff, standen zwar die zehn Feldspieler unserer Mannschaft auf dem Rasen, Zoran Mišić jedoch machte sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Kabine einsatzbereit. Gegen den in das verwaiste GAK-Tor erzielten Ausgleichstreffer der Tiroler protestierten Zorans Teamkollegen beim Unparteiischen verständlicherweise lautstark, am Ende freilich erfolglos.
Mit dem aus dem bosnisch-herzegowinischen Mostar stammenden Savo Ekmecic (* 9. Mai 1948) kam im Sommer 1977 die fraglos schillerndste aller Tormannpersönlichkeit der bisherigen Vereinsgeschichte in die Grazer Körösistraße. In den acht Meisterschaftssaisonen bis 1985 bestritt der stets mit der Startelf Einlaufende 269 Spiele in ununterbrochener Folge, in denen er für den GAK insgesamt 24.210 Minuten zwischen den Pfosten verbrachte – ein Rekord in der österreichischen Torwartgeschichte. Seine Reflexe und Paraden, sein Showtalent und seine modische Extravaganz, sowie seine unglaubliche persönliche Präsenz machten ihn zum Liebling des Publikums, das ihm seinen Einsatz für das Wohl und Weh des Vereins 2002 mit der Wahl zum „Spieler des Jahrhunderts“ dankte. Ihn an dieser Stelle ausführlich zu würdigen, erübrigt sich mit dem Verweis auf die biographische Skizze anlässlich seines 75ers an anderer Stelle dieses Mediums.
Unmittelbar vor dem Ausbruch der sogenannten Jugoslawien- oder Balkankriege (1991 – 1995 und 1998 – 2001) stand der aus dem serbischen Topola stammende Goran Zivanovic (18. August 1960 – 19. Juni 2016) im Gehäuse der Athletiker. Zwischen Juli 1988 und Juli 1990 absolvierte der über Roter Stern Belgrad, Vardar Skopje und Sutjeska Niksic nach Graz Gekommene 49 Pflichtspiele für den GAK und sammelte dabei die meisten Spielminuten seiner Karriere im selben Vereinsdress. Die Hochphase der blutigen Auseinandersetzungen seiner zerfallenden Heimat Jugoslawien erlebte der viel zu früh Verstorbene in Portugal, wo er von 1991 – 1995 beim 2021 aufgelösten Traditionsverein União da Madeira in der Segunda Liga und Primeira Divisão spielte. Nach seinem aktiven Karriereende beim ebenfalls auf Madeira beheimateten CD Nacional blieb er dem Fußball zwischen 2001 und 2011 bei seinem letzten Verein in Portugal, bei Académia Coimbra, Panathinaikos Athen, Rapid Bukarest sowie in Saudi-Arabien als Torwarttrainer treu.
Schon sein Geburtsort Slovenj Gradec („Slowenisch-Graz“) in der damals noch jugoslawischen Teilrepublik Slowenien schien Sašo Fornezzi (* 11. Dezember 1982) für ein Engagement im ehemaligen „Deutsch-Graz“ der Donaumonarchie zu prädestinieren. Tatsächlich machte der vom Kapfenberger SV abgeworbene Slowene, der zuvor in den Nachwuchsnationalteams Sloweniens von der U-15 bis zur U-21 reüssiert hatte, ab Februar 2007 in der Murmetropole Station, wo er in zehn Spielen für den in den finanziellen Ruin steuernden GAK auflief. Sein weiterer Karriereweg führte ihn in der Folge über die Wiener Austria und den FC Magna Wiener Neustadt 2011 in die Türkei. Hier bewegte er sich mit seinen Arbeitgebern Orduspor (2011 – 2013) und Antalyaspor (2013 – 2018), das für seinen Wechsel zwei Millionen Euro locker machen musste, in nahezu 130 Einsätzen wiederholt zwischen der Süper Lig und der TFF 1. Lig, der zweithöchsten türkischen Spielklasse. Seit seinem sportlichen Karriereende arbeitet Fornezzi für KEEPERsport Turkey, die türkische Niederlassung des österreichischen Herstellers von Torwarthandschuhen.
Johannes Gießauf
Fotos: © Fischer/Sammlung GAK 1902, Archiv GAK 1902, GEPA
Titelfoto: Zoran Mišić bei einer seiner berühmten „Flugeinlagen“: hier beim Gastspiel des GAK im Rahmen des Mitropacups bei MTK Budapest 1971 – berühmt wurde der jugoslawische Legionär aber mit etwas anderem … © Fischer/Sammlung GAK 1902
Anrissfoto: Der zu früh verstorbene ehemalige GAK-Torhüter Goran Zivanovic © Archiv GAK 1902